Freiheit
Mods haben gegenüber “richtigen” Spielen einen Vorteil: Freiheit. Die Freiheit der Entwickler, Risiken einzugehen und Neues zu wagen, die Freiheit, individuelle Nischen zu belegen. Aufgrund dieser Freiheit ist Morrowind auch besser als Oblivion. Mit Oblivion musste Bethesda Ansprüche erfüllen, möglichst breiten Erfolg haben.
Als Bethesda an Oblivion gearbeitet hat, waren sie nicht frei. Sie hatten eine Zielgruppe, einen Releasetermin. Die Entwickler bei Bethesda konnten nicht frei ihren Ideen folgen. Massentauglich musste Oblivion sein, allen mehr oder weniger gefallen. Sie konnten kein Risiko eingehen und etwas Eigenes machen, nein, sie hatten etwas zu machen, von dem klar war, dass es gut ankommt. Und so ist Oblivion auch geworden: gut, aber nicht überragend. Das Setting ist eine klischeehafte Pseudo-Mittelalterwelt mit Magiern, Kobolden, Trollen und Rittern. Natürlich, ganz nett, aber besonders? Nein.
Morrowind & Oblivion
Wo sind die Sumpflandschaften, die Aschlande, die Steppen von Vvardenfell geblieben? Ersetzt durch realistische, wunderschöne, aber eintönige Wälder. Was ist aus der komplexen Welt mit ihrer eigenen Flora und Fauna geworden? Abgelöst durch Tomaten, Äpfel, Schafe und Pferde. Die bizarren Monster Morrowinds sind den üblichen Verdächtigen gewichen, Trollen, Ogern, Wölfen und Kobolden. Und wo sind die politischen Ränke, die verzwickte Politik der Gilden, die verschiedenen Gruppierungen? In Oblivion sind eigentlich nur die Gilden übrig geblieben, die sich kaum füreinander interessieren. Die eigenen Religionen mit ihren Zeremonien und eigenwilligen Bauwerken wurden durch die Aedra-Anbetung ersetzt, deren Kirchen und Bräuche stark dem Christentum ähneln. Hätten nicht beide Spiele “The Elder Scrolls” im Titel, würde man kaum glauben, dass sie etwas miteinander zu tun haben.
Wie konnte das passieren? Aus Mangel an Freiheit. Bethesda konnte es sich nicht leisten, etwas ganz eigenes zu machen, auf die Gefahr hin, einige Käufer abzuschrecken. Sie konnten keine Risiken eingehen. Oblivion ist ein mehr oder minder garantierter Erfolg, Morrowind dagegen… düstere Landschaften, komplexe Quests, Sklaverei und Drogen… das kommt nicht so sicher bei Käufern an. Ein Modder dagegen hat die Freiheit, Risiken einzugehen. Er kann machen, was er will. Was kümmert ihn die Massentauglichkeit seiner Mod? Er muss damit kein Geld verdienen. Abgesehen von Downloadzahlen und Lob bekommt er keinen Lohn. Jeder Modder hat die Wahl, seine Hauptquest dunkel und verwirrend, deprimiert und hoffnungslos zu machen. Oder bunt und abgefahren, irrsinnig und ironisch. Mods müssen nicht dem Mainstream folgen und uninteressante Dinge tun. Sie können verschroben sein, eigenwillig, perfektionistisch, seltsam. Man sieht es auch schön an Shivering Isles: hier war Freiheit am Werk. Der Erfolg war mit Oblivion gemacht, jetzt konnte Bethesda mehr Risiken eingehen und vom Mainstream abweichen. Ich glaube, niemand wird ernsthaft behaupten, Shivering Isles wäre nicht um Längen interessanter, witziger und spannender als Oblivion. Hier ist Bethesda wieder mehr in Richtung Morrowind gegangen, weg von Rittern, Magiern und dunklen Bedrohungen, die man auch schon oft genug gesehen hat. Warum sehen denn die Oblivion-Ebenen aus wie die Hölle?
Hausmods & Individualität
Werfen wir mal einen Blick auf das Modding-Genre, das bei einem neuen Spiel immer zuerst auftaucht und großartige Werke hervorbringt: Hausmods. Warum sind sie wohl so populär? Natürlich weil jede Hausmod eine eigene Nische füllt. Jeder findet das Haus, das ihm gefällt. Die in Oblivion eingebauten Häuser sind langweilige, generische Orte. Sie müssen den kleinsten gemeinsamen Nenner treffen. Ein Hausmod dagegen kann alles sein. Ein einsamer Turm in den Bergen, ein luxuriöser Palast, ein Dreckloch in der Kanalisation der Kaiserstadt. Modder sind frei die absurdesten Ideen umzusetzen, fliegende Häuser, lispelnde Helden, fluchende Orks. Was ein Modder tut, ist weniger ernst und risikobeladen als die Erzeugnisse eine großen Studios. In ein verkauftes Spiel eingebauter Inhalt muss jedem Käufer halbwegs gefallen. Eine Mod dagegen ist immer freiwillig für den Nutzer. Diese Freiwilligkeit macht den Kern der Freiheit des Moddings aus. Die Zielgruppe für eine Mod findet sich selbst. Der Modder macht, was er will. Risiken? Na und, was steht denn auf dem Spiel? Niemand bezahlt für Mods, wem sie nicht gefällt, der kann sie löschen, was dem Modder ja nicht schadet. Wem sie jedoch gefällt… der hat genau das, was er möchte, ein großartiges, einzigartiges Werk.
Blood, Mud & Nehrim
Ich kann mir kein Blood & Mud vorstellen, das kommerziell entwickelt wird. Welcher Produktmanager würde so etwas finanzieren wollen? Ein Dunkelelf-Händler, der mit dem Spieler was macht? Ihn wohin schickt? Wo der Spieler Rätsel lösen muss? Mit einem derart seltsamen Humor? Ryan hatte seine Freiheit, er hat es gemacht, und einen unglaublichen Erfolg gehabt. Er hat umgesetzt, was ihm gefiel und ein individuelles Meisterstück geschaffen.
Oder ein anderes Beispiel: Nehrim. Diese Tiefe, dieser Perfektionismus, diese Liebe zum kleinsten Detail. Möglich gemacht durch eine Sache: Freiheit. SureAI muss nicht auf ein Budget achten, kann Releasetermine nach Belieben verschieben. Sie können sich Zeit lassen, weil sie frei sind. Frei von Bindungen und Vorgaben, sie haben nur ihren Ideen zu folgen und nichts anderem. Sie können ein Spiel machen, das nach dem, was man so sehen kann, sämtliche Rollenspiele der letzten paar Jahre einfach nur in die Tasche stecken kann. Und das ohne Budget, ohne Publisher, nur mit Hingabe, Freizeit und einer Idee. Und der Freiheit, alles zu tun.
Projekte, die Risiken eingehen, nicht versuchen, Jedem zu gefallen, können immer besser sein als generische Machwerke mit austauschbaren Charakteren, Storys und Namen. Wir haben unsere Freiheit, lasst sie uns nutzen. Wir können es besser.