Das Wissen der Welt ∞
Das Internet macht uns allen eine Fülle von Informationen zugänglich, die wir nie zuvor hatten. Doch dieses Wissen ist unstrukturiert und chaotisch, wir müssen Suchmaschinen wie Google verwenden, um Antworten auf einfachste Probleme zu finden. Sagen wir mal, ich möchte den Abstand zwischen dem Mond und Saturn herausfinden. Wenn ich Google verwende, muss ich darauf vertrauen, dass irgendjemand vor mir diese Rechnung durchgeführt hat. Google zieht keine Schlüsse, obwohl es das Ergebnis recht einfach berechnen könnte. Obwohl wir das Wissen der Welt im Internet zusammengetragen haben, hilft es uns nichts. Wir müssen immer noch selbst rechnen und darauf vertrauen, dass ein anderer Mensch die Arbeit schon erledigt hat. Doch mit dem heutigen Launch von Wolfram|Alpha, einer neuartigen – ich zögere, dieses Wort zu benutzen – Suchmaschine ändert sich das. Nicht umsonst nenn sich W|A “computational knowledge engine”. Anstatt einfach nur bekanntes Wissen wiederzukäuen, kann W|A intelligent Anfragen bearbeiten und berechnen. Anstatt Seiten zu suchen, auf denen irgendjemand die Anzahl den Abstand zwischen Mond und Saturn berechnet hat, nimmt sich W|A selbst die Orbit-Daten beider Himmelskörper her und rechnet den Abstand aus. Wenn das keine Verbesserung gegenüber Google ist, weiß ich auch nicht. Doch dieser intelligente Ansatz hört nicht bei Astronomie auf, nein, er erstreckt sich über alle möglichen Wissensgebiete.
Anwendungen
Mit einem Anwendungsgebiet von Wolfram|Alpha, der Mathematik, lässt sich sehr schön der Unterschied zwischen Google und W|A aufzeigen. Obwohl Google einen eingebauten Taschenrechner hat, arbeitet dieser doch nur auf einem sehr eingeschränkten Niveau. Geben wir beiden Diensten mal zwei zufällige Gleichungen und die Aufgabe, sie nach “x” aufzulösen:
"solve y=x4+3x2+2 and y=x4+2x2 for x".
Google antwortet, wie gewohnt, mit einer Liste von Webseiten:
Während sich Wolfram|Alpha ein großes Stück intelligenter anstellt und die Aufgabe wirklich löst:
W|A könnte der beste Freund eines jeden Mathematikers – und Mathe-gequälten Schülers – werden. Nicht nur, dass W|A Gleichungen löst, nein, sie werden auch als Graph dargestellt. Anfragen auf einem richtigen Computer in ein Suchfeld einzugeben ist ein großes Stück besser als einen teuren grafikfähigen Taschenrechner mit einem rudimentären Display zu bemühen.
Auch im Bereich der Statistik glänzt Wolfram|Alpha. Angenommen, man möchte die Anzahl der Aids-Toten in Afrika wissen. Einfach mal eingeben, W|A weiß es. Und macht sogar einen Graph daraus.
Die Anwendungsmöglichkeiten für Wolfram|Alpha sind beinahe endlos. Unglaubliche Mengen an Informationen liegen nicht nur zum Abruf bereit – wie es zum Beispiel bei Wikipedia wäre – sondern werden kombiniert, in Relation gebracht und intelligent angewendet. Wenn man eine Tabelle mit Daten will, muss man nicht mehr hoffen, dass es sie in der Wikipedia gibt. Wolfram|Alpha wird mit größter Wahrscheinlichkeit genau die gesuchte Tabelle ausspucken. Recherche wird so ein großes Stück einfacher. Wenn ich an die vielen Stunden denke, dich ich damit verbracht habe, für Erdkunde Informationen über den durchschnittlichen Niederschlag aller U.S. Staaten zu recherchieren, wird mir ganz anders. Wäre Wolfram|Alpha ein wenig früher öffentlich zugänglich geworden, hätte ich mir einige Stunden des Kopierens und Abschreibens erspart.
Aktueller Stand
Ein derart komplexes System baut sich natürlich nicht von selbst. Jahrelang hat das Team von Wolfram|Alpha vor sich hin gearbeitet, und jetzt geht es richtig los. Nach einer längeren, privaten Testphase ist W|A jetzt bereit, im Ansturm der Internetöffentlichkeit getestet zu werden. Über das kommende Wochenende wird das Team die heute (Freitag) gesammelten Leistungsdaten und Anfragen auswerten und Anpassungen vornehmen. Dazu wird Wolfram|Alpha wieder abgeschaltet, aber es wird laut des Projektblogs zwischendurch immer mal wieder angeschaltet werden. Aber bald, sehr bald, wird Wolfram|Alpha wirklich gestartet sein. Und die Welt verändern.
Trotz allem ist Wolfram|Alpha noch ein gutes Stück von der Perfektion entfernt. Manche fragen werden einfach nicht verstanden. Als ich angefangen habe, diesen Artikel zu schreiben, war mein Beispiel “Anzahl der Atome in einem Wasserglas” anstatt der Frage nach der Entfernung vom Mond zum Saturn (75.16 Lichtminuten). Unglücklicherweise konnte mir W|A darauf noch keine Antwort liefern. Aber im Laufe der nächsten Wochen und Monate werden solche Kleinigkeiten bestimmt ausgebessert werden.
Schlusswort
Der heutige Tag könne – man verzeihe mit den pathetischen Ton – in die Geschichte eingehen. Wir sehen zu, wie der ursprüngliche Zweck des World Wide Web – die Bereitstellung von Wissen – seiner Erfüllung ein Stück näher gekommen ist. Die Geburt einer neuen Art von Anwendung, eine Suchmaschine mit einem Grad von Intelligenz, der bis jetzt unerreichbar schien. Wolfram|Alpha ist, was ich mir immer als “die Zukunft” vorgestellt habe. Ein Computer, dem man eine Frage stellt und eine exakte Antwort bekommt. Ein Traum ist wahr geworden.
Und was denkt ihr darüber? Übertreibe ich? Überwiegen die im Moment noch nicht beantwortbaren Fragen die Gewinne? Werdet ihr W|A nutzen?