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Fremde Welten

Review: Avatar

Man weiß, dass ein Film funktioniert hat, wenn man auch Tage später noch das Bedürfnis hat, ihn nochmals zu sehen. Genau das ist mir mit Avatar passiert, und deswegen schreibe ich auch diesen Artikel. Aber warum hat der Film einen derartigen Eindruck hinterlassen?

An der vorhersehbaren, etablierten Mustern des Genres folgenden Geschichte liegt es sicher nicht. Sie ist schnell erzählt: Jake Sully, der Protagonist, schlüpft im Rahmen eines wissenschaftlichen Programms auf dem Planeten (eigentlich: Mond) Pandora in den Körper eines Na’vi, eines einheimischen Aliens. Er verliebt sich in die Häuptlingstochter der Na’vi und wechselt die Seiten. Damit stellt er sich gegen die Menschen, die auf Pandora das Mineral “Unobtanium”1 abbauen wollen, das alle Energieprobleme der Erde lösen soll. Eine Liebesgeschichte, gepaart mit Indianer-Symbolik und einer politisch-moralischen Botschaft, das ist nichts, was man nicht schon einmal gesehen hat. Aber welcher Film kann schon von sich behaupten, eine vollkommen neue Geschichte zu erzählen? Avatar erzählt seine Geschichte zumindest angenehm ruhig, der Film lässt uns in der Mitte genügend Zeit, um eine Beziehung zu den Figuren aufzubauen, so dass das Finale auch eine Bedeutung hat. James Cameron (Aliens, Terminator, Titanic) hat es, im Gegensatz zu den Regisseuren vieler anderer moderner “Blockbuster” erfolgreich vermieden, gegen Ende des Films jeden Versuch des Geschichtenerzählens in einem Action-Feuerwerk verglühen zu lassen.

Doch es ist nicht die Geschichte an sich, die Avatar seine Faszination verleiht, es ist ihre Umsetzung, es ist Pandora, dieser mit modernster Technik erschaffene Dschungelplanet, es sind die Na’vi, es ist das dichte, andersartige Universum, in dem Avatar spielt. Der Regenwald, mit dem Pandora fast vollständig bedeckt ist, wimmelt von fremdartigen Wesen aller Art, er ist erfüllt von Leben. In jedem Bild stecken unzählige Ideen. Es ist dieser unendliche Detailreichtum, der uns das Filmuniversum als real akzeptieren lässt. Doch der Dschungel ist nicht nur detailreich, er ist auch schlicht und einfach schön, bis an die Grenze zum Kitsch. Wenn nachts jedes einzelne Lebewesen seine Biolumineszens-Eigenschaften vorführt und der Urwald leuchtet, kommt man sich vor wie in einem Gemälde. Die Story tritt in den Hintergrund, der Film wird pure Atmosphäre, pure Illusion, pure Immersion. Und das ist der Grund, warum ich ihn gerne auch ein zweites Mal anschauen werde, um das ein weiteres Mal zu erleben, und mehr Details zu bewundern, mehr zu sehen. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Star Wars ist unverkennbar, auch dort ist die Geschichte eher einfach gestrickt (“Unerfahrener Held rettet Prinzessin”) und erst das detaillierte, interessante Universum macht den Film, oder eher die Filme, unvergesslich.2

Einen Großteil des Films bestreiten nicht die menschlichen Darsteller, sondern die außerirdischen Na’vi, die erstaunlich sympathisch sind. Was eine Leistung an sich ist, wenn man bedenkt, dass sie drei Meter groß, blau und am Computer erschaffen sind. Wo vorher computergenerierte Figuren entweder gar nicht den Anspruch hatten, echt zu wirken (z.B. in Oben oder anderen Animationsfilmen) oder in Nebenrollen verbannt wurden (z.B. Yoda bei Star Wars), sind sie jetzt Sympathieträger. Sie wirken real, sie zeigen Gefühle und sind als Darsteller gleichgestellt mit den Menschen. In Avatar lernen wir ihre Lebensweise, ihre Umwelt, ihre Traditionen, ihr Universum kennen. Der Film ist eine Reise in eine andere Welt jenseits des Bekannten, und das macht ihn für mich so faszinierend.

Dazu trägt sicher auch die Tatsache bei, dass ich Avatar in 3-D gesehen habe. Ähnlich wie bei Oben wird die Technik nicht um ihrer selbst willen, sondern nur dazu eingesetzt, dem Bild Tiefe zu verleihen. Man bekommt nicht wie in den Anfangstagen des 3-D Kinos (ich erinnere mich da an eine grausige Vorstellung im “4-D Kino” irgendeines Vergnügungsparks) ständig Gegenstände ins Gesicht geworfen, es springen keine Gestalten den Zuschauer an, die “vierte Wand” bleibt, bis auf wenige Ausnahmen, unverletzt.

Alles in allem war Avatar eine beeindruckende Erfahrung. Die einfache Geschichte funktioniert gut genug, um nicht negativ aufzufallen, die Hauptfiguren sind sympathisch, und vor allem die Dichte, die Echtheit, des von Cameron erfundenen Universums ist erstaunlich.

1 Es zeugt von Camerons Sinn für Humor, das Mineral auch wirklich so zu nennen.
2 Natürlich besitzt auch Avatar eine Enzyklopädie. Und wieder ein paar Stunden Lebenszeit verloren… ;)
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